Ein Traditionsverein und seine Wurzeln

Wenn man im Briefkopf und diversen anderen Publikationen der Turngemeinde als Gründungsjahr des Vereins die Zahl 1846 findet, so ist das mitnichten korrekt. So alt ist dieser Verein, zumindest der Verein dieses Namens nun wirklich nicht. Vielmehr beruft er sich hier auf einen Vorgängerverein, der von 38 „Männern und Jünglingen“ am 3. Juli 1846 als „Turnverein Frankenthal“ ins Leben gerufen worden war. Die zeitnah erarbeitete Satzung wurde mit einem entsprechenden Genehmigungsgesuch an die Kreisregierung in Speyer gesandt (erstes Gesuch dieser Art im gesamten Land Bayern!), wurde dort aber erstmal verworfen. Begründung: Die Turnübungen an den Schulen seien ausreichend für die allgemeine Körperertüchtigung. Das „Abenteuer Turnverein“ war fürs Erste zu den Akten gelegt.

Zwei Jahre später war die Zeit schließlich doch reif für eine offizielle Vereinsbetätigung. Mit einer Generalversammlung am 9. Juni 1848 trat der „Turnverein Frankenthal“ an die Öffentlichkeit und war nun sanktioniert. Nach einem Jahr trat jedoch auf Grund der politischen Lage schon wieder eine Zwangspause ein, die mehr als ein Jahrzehnt andauerte. Erst 1861 konnte der Verein wieder aktiv werden. Die Neuzulassung damals wurde denn auch eine Zeitlang als Stichdatum für diverse Vereinsjubiläen benutzt. Erst um die Jahrhundertwende einigte man sich wieder auf das Jahr 1848 als Ausgangspunkt der Vereinstätigkeit. Dies tauchte denn fortan als Gründungsdatum im Briefkopf der Vereinskorrespondenz auf – und blieb dort auch bis 1932 bestehen.

Kurz zuvor war für eine Broschüre von Carl Neubronner zur Gründungsgeschichte des Vereins durch entsprechende Recherchen im Landesarchiv Speyer das alte Aktenbündel aus dem Jahr 1846 wieder ans Licht geholt und ausgewertet worden, und per Mitgliederbeschluss vom 17.Februar wurde – im berechtigten Stolz darauf, wohl der älteste Turnverein Bayerns zu sein – dem Vereinsnamen jetzt die Jahreszahl 1846 zugefügt.

Noch eine zweite Wurzel besitzt allerdings unsere Turngemeinde: die „Turnergesellschaft Frankenthal“. Es waren vereinsinterne Querelen und Missstimmungen, die dereinst drei Dutzend Mitglieder des „Turnvereins“ zum Austritt veranlassten, und am 30.Oktober 1876 wurde die „Turnergesellschaft Frankenthal“ aus der Taufe gehoben. Fast 20 Jahre dauerte es, bis der Konkurrenzkampf zwischen den beiden Frankenthaler Turnvereinen in ein gedeihliches Nebeneinander umschlug. Auf allen größeren Turnfesten der näheren und weiteren Umgebung begegnete man sich im sportlichen Wettstreit.

Mittlerweile waren nicht mehr nur Turner aktiv; Leichtathleten, Sänger, Faustballer, Fechter und Hockeyer bereicherten sukzessive das sportliche Angebot. Sogar Wassersport wurde unter dem Oberbegriff Turnen betrieben – auf dem Übungs“gelände“ des Frankenthaler Kanalhafens.

Eine Zäsur brachte schließlich die Sportpolitik in der nationalsozialistischen Zeit, Stichwort „Gleichschaltung“. Durch eine Fusion sollte beziehungsweise musste ein Großverein geschaffen werden. Der im 1898 gegründete Verein der „Vereinigten Turnerschaft“ mit seinen dem Arbeitersport verbundenen „Freien Turnern“ war schon gleich nach der Machtübernahme verboten worden; für die verbliebenen beiden bürgerlichen Turnvereine kam im Januar 1938 der Zusammenschluss unter dem Namen „Turngemeinde Frankenthal von 1846“.

Der Name ist dem Verein geblieben; das Hakenkreuz mit Reichsadler konnte nach dem Krieg wieder durch das traditionelle Turnerkreuz mit dem Turner-Wahlspruch „Frisch fromm fröhlich frei“ ersetzt werden. Und die „Turngemeinde“, die sich nach einer Reihe von Höhen und Tiefen im Laufe von neun Jahrzehnten aus dem „Turnverein“ und der „Turnergesellschaft“ entwickelt hatte, kann mittlerweile unter Bezug auf eben diese Wurzeln bald ihr 175. Vereinsjubiläum anpeilen.