Die Jahnturnhalle und ihre Vorläufer

Bald 100 Jahre alt ist die „gute Stube“ der Turngemeinde, die Jahnturnhalle. Seit Juli 1924 beherrscht sie das Ensemble am Jahnplatz, der seinerzeit noch „Platz der Republik“ hieß (erst am 1. April 1933 wurde er umbenannt) und in dessen Mitte drei Jahre spä-ter dann ein Ehrenmal zur Erinnerung an die Gefallenen des Krieges 1914/18 aufgestellt wurde. Der Bau der Jahnturnhalle war für den damaligen Turnverein Frankenthal not-wendig geworden, da dessen Domizil 1918 in Flammen aufgegangen war. Seit der Fusi-on der beiden Frankenthaler Turnvereine im Jahr 1938 sind die Halle und die dahinter liegende Sportanlage nun Trainingsstätte der verschiedenen Abteilungen der Turnge-meinde Frankenthal.

Lassen wir aber zuerst einmal den Blick zurückgehen in die 50-er Jahre des 19. Jahrhunderts. Der 1846 bzw. 1848 unter vielen Geburtswehen entstandene Turnverein Fran-kenthal pflegte seine Übungen anfänglich im Freien, erst auf einem Grundstück des Ver-einsvorsitzenden Max Friedrich Heydweiller in der Westlichen Ringstraße (neben dem ehemaligen Reallehrinstitut), später dann an der Lambsheimer Straße (im 20. Jahrhundert Firma Keller, Kesselschmiede). Nach politisch erzwungener, mehr als zehn Jahre dauernder Zwangspause wurde – unter dem neuen Vorsitzenden Johann Leonhard Braunsberg – dem Verein von der Frankenthaler Schützengesellschaft eine Wiese neben dem Schützenhaus am Kanal für den Sportbetrieb zur Verfügung gestellt. Schon damals war ein Turnhallenbau ins Auge gefasst worden, denn für das Wintertraining mussten immer wieder verschiedene Örtlichkeiten in der Stadt erschlossen werden. Infolge lang anhaltender Finanzierungsschwierigkeiten konnten die Hallenpläne erst in den 70-er Jahren verwirklicht werden. Die Stadt stellte ein Grundstück am Paradeplatz (heute Röntgenplatz) und die Steine für die Grundmauern zur Verfügung; am 3. März 1873 wurde mit dem Bau begonnen. Eine kleine Abbildung auf einer Ansichtskarte aus den 1890-er Jahren zeigt diese erste Frankenthaler Turnhalle.

Nach der Inanspruchnahme als Notquartier für die Obdachlosen der Rheinüber-schwemmung 1882 musste die Halle erst einmal gründlich renoviert werden; 1897 kam die Turnhalle dann endgültig in den Besitz des Vereins, wurde baulich erweitert und schließlich am 18. November 1899 neu eingeweiht. Im Folgejahr feierte der Verein (mit zweijähriger Verspätung wegen des Umbaus) sein 50-jähriges Bestehen. 46 Vereine mit 1500 Turnern nahmen an dem Fest teil.

Mittlerweile gab es aber auch schon die Turnergesellschaft Frankenthal. Der 1876 ge-gründete Verein konnte anfangs im Gerhardtschen Bierkeller am späteren Postplatz (Brauereibesitzer Fritz Gerhardt war 1881-1887 Vereinsvorsitzender) seinen Turnbetrieb ausüben. 1888 beschloss der Verein den Bau einer eigenen Turnhalle. Vorerst konnte nur ein Grundstück im Foltzring erworben und Schritt für Schritt hergerichtet werden, während in der Gaststätte „Ax“ in der Speyerer Straße (heute Citycenter) geturnt wurde. Die Generalversammlung 1909 stellte dann die Weichen für den Turnhallenbau, der Frankenthaler Architekt Fritz Larouette erstellte die Pläne und – mit Turnhallbau-Anteilscheinen und Spenden Frankenthaler Unternehmen – konnte das Projekt schließ-lich gemeistert und am 14.10.1911 eingeweiht werden.
Das damals schon recht repräsentativ wirkende Gebäude mit bemerkenswert früher Stahlbetonkonstruktion wurde nach der Gleichschaltung und der erzwungenen Fusionie-rung von Turnverein und Turnergesellschaft zur Turngemeinde von den Nationalsozialis-ten vereinnahmt. Es wurde – nach diversen Umbauten und Gestaltung einer neuen Frontseite – zum „Feierabendhaus“ umgewidmet, das bis in die Mitte der 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts als Fest- und Theatersaal der Stadt Frankenthal Bestand haben sollte.

Der Turnhalle des Brudervereins am Paradeplatz war ein kürzeres Schicksal beschie-den. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs war sie erst einmal von französischen Besat-zungstruppen requiriert worden. Als sich diese am 8. Oktober 1919 zurückgezogen hat-ten, stand wenige Stunden später die Halle in Flammen; sie brannte bis auf die Grund-mauern nieder. Solidarische Hilfe von allen Seiten ermöglichte es dem Verein schon zwei Jahre später, mit der Planung einer neuen Halle zu beginnen. Die Stadt überließ dem Turnverein das Gelände des einstigen Holzhofs südlich des Zöllerrings, der Kreis-kranken- und Pflegeanstalt und des Lokalbahngleises. Ein Wettbewerb wurde ausge-schrieben, bei dem 57 architektonische Entwürfe eingingen. Dem Ludwigshafener Archi-tekt Latteyer wird der erste Preis zuerkannt, und im Juli 1922 konnte der erste Spaten-stich erfolgen. Im März 1923 war Richtfest und – nach einigen Monaten Baustopp infolge inflationsbedingter Finanzierungsprobleme – konnte am 6. Juli 1924 die „Jahnturnhalle“ im Rahmen einer dreitägigen Einweihungsfeier ihrer Bestimmung übergeben werden. Eigentlich war schon in den damaligen Architekturplänen eine spätere Erweiterung der Halle nach Osten, in Richtung Faustballplatz, vorgesehen (im Vereinsarchiv haben sich noch Entwurfszeichnungen erhalten); sie wurden jedoch nie realisiert. Immerhin: Im olympischen Jahr 1936, in dem auch der Verein sein 90-jähriges Bestehen feierte, konn-te eine dringend notwendig gewordene Renovierung durchgeführt werden, unter tatkräftiger Mithilfe von Vereinsmitgliedern und nicht zuletzt durch Finanzspenden (1500 Reichsmark waren zusammengekommen). Mit dem Verkauf von symbolischen „Bausteinen“ sollte auch der weitere Ausbau forciert werden.

Nicht zuletzt war es jedoch wieder die politische Entwicklung, die allen Plänen und Wün-schen eine Zäsur setzte: Ein neuer Weltkrieg lähmte das Vereinsleben. Nur notdürftig wurde der Turn- und Sportbetrieb anfangs noch aufrechterhalten, bis schließlich alle sportlichen Aktivitäten erloschen. Nach Kriegsende wurde die Halle zuerst einmal von den Amerikanern beschlagnahmt; später, nach Übergabe der Besatzung an die Franzo-sen, konnte mit reduziertem Angebot der Sportbetrieb sukzessive normalisiert werden. Erst ab Oktober 1949 jedoch stand die Jahnturnhalle für sportliche Belange wieder uneingeschränkt zur Verfügung. In praktisch unveränderter baulicher Struktur ist sie seither, immerhin jetzt schon wieder sieben Jahrzehnte, in Betrieb. Sie hat wechselvolle Zeiten überdauert und ist – mit diversen Höhen und Tiefen – bis heute die wichtige Heimstätte der Turngemeinde geblieben.